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Autorenbildjesterton

Simon Sasek 2.0 - Angst

Aktualisiert: 13. Aug. 2021


01.01.2019:

Hier behandle ich mit einer musikalischen Metapher den emotionalsten Grund für unseren Ausstieg aus der OCG: Unsere kleine Tochter. Der Beitrag stellt dar, wie das Prinzip Angst der OCG und das Prinzip Hoffnung in mir kollidierten und letztlich die Hoffnung die Oberhand gewann. Für "Flumbi".


Eine persönliche Abkehr von Lebensfundamenten, die auf Angst gründen, eine Hinwendung zu Dur-Harmonien und eine Distanzierung von fundamentalistischen Verführungsprinzipien.


Mit diesem Video distanziere ich mich auch in aller Klarheit von meinem als 15-Jähriger verfassten Beitrag im Buch „Mama, bitte züchtige mich!", dessen unbrauchbarer Inhalt von unserem Vater in Auftrag gegeben war und der sich in keiner Weise mit meinen heutigen Überzeugungen und Taten deckt.


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Abschrift des gesprochenen Textes:


ANGST


Die Welt wird untergehen. Eine dekadente Zivilisation befindet sich im freien Fall, es ist längst Fünf nach Zwölf, der dritte Weltenbrand lodert bereits unbarmherzig und ein thermonuklearer Weltkrieg wird unseren Planeten eindampfen, sofern wir nicht alles dafür tun, die Ursachen des kommenden Desasters quasi in Cliffhanger-Position noch zu beseitigen.


Die Gründe für den unmittelbar bevorstehenden Kollaps sämtlicher Systeme könnten simpler nicht sein: Dem überheblichen Geistesblitz der Aufklärung musste ein Armageddonner folgen, wie ihn die Welt noch nicht vernommen hat. Warum? Die Geister, die sie damals verleugneten, sind längst Legion geworden und auch Gott ist nicht tot, solange sein Bodenpersonal die Stellung hält. Er durch uns wird die Sichel führen, die Schafe von den Böcken scheiden, die Kelter treten. Und dann – und nur dann – wird endlich alles gut.


Simon, du musst die Kurve kriegen.


Genau diese Melodie summte mein damals 3-jähriges Töchterchen Flumbi – ja, das ist nur ihr Kosename – im Frühling 17 fast jeden Abend vor dem Einschlafen. Weil sie dieses niedliche Ritual so oft wiederholte, zimmerte ich daraus irgendwann einen Filmmusiktitel. Als ich ihr das Ergebnis zum ersten Mal auf der Anlage vorspielte, quieschte sie vergnügt. Bis die Musik an jene Stelle kam, in der ich ihre Melodie variiert und aus der Vaterperspektive uminterpretiert hatte. „Papi, das ist nicht so, wie ich es gesungen hatte“, merkte sie trocken an. Ihr selbstbewusst vorwurfsvoller Blick liess mich schmunzeln.

Schon klar, ich hatte es mal wieder vermasselt. Meine Musik war zu düster geworden. Eine fröhliche Kindermelodie in schwülstigem Möchtegern-Pathos ersäuft, in Moll interpretiert, was in Dur angedacht war, ich weiss…


Doch wie gut, ging es dabei nur um ein kleines Feierabendprojekt inmitten eines neuerdings dornigen Alltags. Wie viel folgenschwerer, wenn sich mein künstlerischer Hang zum Düsteren und Schweren plötzlich wieder auf weltanschaulichen und politischen Ebenen entladen hätte, wie es übrigens auch gerade in Mode zu sein scheint. In populistischen Zeiten, in denen Regenbögen oft als Rauchschwaden interpretiert werden, Fortschritt gerne auf Rückschritt intoniert wird und statt Dankbarkeit dissonante Untergangssehnsüchte auswabern.


Und jetzt noch ohne manipulative Musik: Es ist ein grosses Vorrecht, in einer offenen Gesellschaft leben zu dürfen. Wer heute einen Abgesang auf freiheitliche Werte anstimmt, die Generationen vor uns mit Blut, Schweiss und Tränen erkämpfen mussten, orchestriert eine Totenmesse, egal ob sie als Volkstanz daherkommen möchte. Und wer dabei gar hinter die Aufklärung zurückgehen will, komponiert Gruselmusik, auch wenn sie aus lauter Dur-Harmonien besteht.

Sollten Naturkatastrophen oder menschgemachte Probleme wie der Klimawandel, Kriege oder die Ausbeutung der Dritten Welt, tatsächlich einst eine verspätete Feuertaufe der Aufklärung darstellen… so werden wir sie gemeinsam bestehen. Wir werden Flumbi keine Welt hinterlassen, in der sich Angstmacher und falsche Propheten erfolgreich ermächtigen.

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